Innovation und Outsourcing – sind das Gegensätze?

22. August 2016

Während meines Sommerurlaubs habe ich in der Regel eine Menge Zeit, die Nachrichten zu verfolgen. An einem Morgen im August, als ich gerade meine erste Tasse Kaffee trank, las ich die Nachrichten der dänischen Zeitung ‚Berlingske‘, mit der Schlagzeile „Dänemark erhält von der EU gute Bewertungen in Sachen Innovation“. Der Artikel thematisierte den Bericht ‚European Innovation Scoreboard‘, der die Innovationsfähigkeiten und das Innovationsniveau verschiedener Länder miteinander vergleicht und Dänemark mit der zweithöchsten Bewertung ausgezeichnet hat, nur noch übertroffen von Schweden.

Der Bericht kam mir wieder in den Sinn, als ich am nächsten Tag mit meinem Auto von einem Treffen mit einem potentiellen Outsourcing-Kunden heimfuhr. Eine seiner Sorgen beim Outsourcing eines Teils der IT-Entwicklung war, dass dies auf Kosten der Innovation erfolgen würde. Oder, wie er es ausdrückte: Wie können wir weiterhin gute Ideen entwickeln und unser Unternehmen führen, wenn die Hälfte meiner Mitarbeiter in Dänemark sitzt, während die andere Hälfte 2.000km entfernt ist?

Ich habe diese Bedenken schon vorher gehört und kann durchaus verstehen, dass man solche Gedanken hat. Es passiert etwas in unseren Köpfen, wenn wir an Entfernungen denken, vor allem, wenn es um grenzüberschreitende Distanzen geht. Wir sehen die Herausforderung mit anderen Augen. Ohne es zu bemerken, kommen wir zu dem Schluss, dass es nicht möglich ist, aus der Entfernung innovativ zu sein, Innovation und Outsourcing sind zwei Gegensätze.

Und das ist wirklich bedauerlich, denn schon dieser Ansatz ist falsch. Bei Innovationsfähigkeit geht es nicht um Outsourcing oder kein Outsourcing. Ganz im Gegenteil, es geht darum, wie Sie eine innovative Unternehmenskultur gestalten. Nicht nur über die Landesgrenzen hinweg, sondern auch innerhalb der verschiedenen Abteilungen im selben Land  – kurz gesagt – in jeder Abteilung, in jedem Bereich, in jeder Projektgruppe – für jeden Mitarbeiter.

Ich bin davon überzeugt, dass Innovation von Individualität kommt, sie resultiert aus der Kooperation mehrerer Menschen, die den Wunsch haben, das Existierende zu verbessern, in Frage zu stellen – und damit auch sich selbst und seine Kompetenzen zu fordern. Das Individuum muss einen Funken in sich tragen, der sich in ein Feuer verwandelt, wenn die Unternehmenskultur dem Funken ein bisschen Treibstoff bietet.

Ich schreibe bewusst ‚Unternehmenskultur‘. Nicht die ‚Unternehmensstruktur‘. Denken Sie nicht auf dieselbe Art und Weise über Innovation nach, wie es (zu) viele Menschen über Strategieentwicklung tun. Viele Strategien basieren auf schlechtem Gewissen und liegen in der Schublade, bis sie zur vierteljährlichen Vorstandssitzung als Checkliste hervorgeholt werden.

Lassen Sie die Innovation im Unternehmen aufleben, sodass es etwas ist, was wir  tun. Bauen Sie Vertrauen auf und schaffen Sie eine Kultur, in der es keine dummen Fragen gibt. Wo es okay ist, Dinge anzufechten und in Frage zu stellen. Stellen Sie sicher, dass Sie den verschiedenen Aufgaben die richtigen Profile zuweisen und einstellen, wo man auch mal über den Tellerrand blickt. Beziehen Sie die neuen Mitarbeiter in das Team und in das Unternehmen ein. Stellen Sie sicher, dass Sie Prozesse zum Wissensaustausch bereitstellen. Bilden Sie Forschungs- und Entwicklungsteams, entwickeln Sie Prototypen und Anwenderprogrammierung. Es gibt eine unendliche Vielzahl an Möglichkeiten, und jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, die beste Kultur zu schaffen.

Eine Sache jedoch benötigt ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit. Stellen Sie sicher, dass Sie unter den Mitarbeitern Sozialkapital bilden, denn das ist ein fundamentaler Faktor. Ob wir nun auf beiden Seiten der Alpen sitzen, an beiden Seiten des Great Belts (einer Meerenge in Dänemark) oder auf zwei Seiten des Flures – wir müssen uns auf einer regelmäßigen physischen Ebene treffen, um den innovativen Funken zu erhalten und zu nähren. Sobald der Innovationsfunken entfacht ist und wir den Anderen auch in der Realität kennengelernt haben, nicht bloß als Skype-ID, E-Mail-Adresse oder ‚die Frau mit den langen Haaren in Raum 2.10, direkt am Fenster‘, können wir innovativ sein – nicht nur über den Flur oder den Great Belt, sondern auch über die Alpen hinweg.

Dass Outsourcing diesen Funken der Innovation zum Erlöschen bringt, habe ich bisher noch nicht erlebt. Und doch habe ich viele Unternehmen genau das tun sehen. Wenn Innovation nicht innerhalb des ausgelagerten IT-Entwicklungsprojektes ensteht, dann liegt es meiner Erfahrung nach an der Unternehmenskultur, dass dem Funken der Treibstoff fehlt – und nicht an der Entscheidung zum Outsourcing.